Hallo Hardy! Mein Mann und ich überlegen derzeit, wieder zurück ins Zuchtgeschäft zu kommen. Wir haben die letzten sechs Jahre kein Fohlen mehr gezogen, da wir viel Pech mit den Fohlen hatten, und wir haben schließlich aufgegeben.
Jetzt, wo coronabedingt auch der Reitunterricht sehr einschränkt ist, überlegen wir, wieder anzufangen, da wir noch vier Quarter-Stuten haben.
Als wir 2002 unseren ersten Hengst (Mr Flachsberg) gekommen hatten, lief die Zucht prima. Dann wollten wir unsere Zucht noch verbessern und kauften den nächsten Hengst. Damals gab es noch kein PSSM Gen Test. Ein Jahr später stellte sich heraus, dass er PSSM1 hatte, und er wurde von uns sofort kastriert. Wir haben noch eine Stute von ihm ohne Gendefekt. Als Mr Flachsberg nicht mehr da war, setzten wir auf das Wiescamp Quarter und kauften einen zweijährigen Hengst. Leider hatten wir mit ihm auch Pech; er zeugte sechs Fohlen, und davon hatten vier einen Nabelbruch. Also haben wir ihn auch gelegt.
Außerdem haben Wiescamp-Pferde wohl den Ruf, schwierig zu sein. Wir haben sie nur schlecht verkaufen können. Ich muss sagen, dass ich keine Probleme mit ihnen hatte bzw. habe. Nicht mit dem Hengst und auch nicht mit seiner Nachzucht. Ich war letztes Jahr mit meiner Stute auf einem Lehrgang bei Kay Wienrich. Als er nach der Abstammung meiner Stute fragte, weil sie ihm gut gefallen hatte, konnte er es nicht glauben, dass sie väterlicherseits Wiescamp-gezogen ist.
Jetzt aber genug von uns. Weshalb ich Dir schreibe: Ich denke, Du hast einen Plan – also ist jetzt meine Frage: Wenn Du, wie wir jetzt, vor der Frage stehen würdest, in welche Richtung der Quarter-Zucht würdest Du gehen?
Wir haben gelesen, manche legen viel Wert auf Foundation-Zucht! Heißt das, dass kein Three Bars drin sein darf? Wobei Du in Deinem Buch „Millionenpferd Quarter Horse“ schreibst, dass Three Bars das Quarter positiv beeinflusst hat. Manche Züchter wollen nur Hancock, Valentine, Poco Bueno, King und Leo auf dem Papier stehen haben. All das verwirrt einen ziemlich. Im Moment sind Wildfarben beim Quarter Horse sehr begehrt. Aber eine reine Farbzucht fände ich auch Quatsch!
Du siehst, wie verwirrt wir sind! Auch die Frage steht im Raum, was die Käufer bei ihrem Pferd wollen. Es soll robust, menschenbezogen, ausgeglichen, leistungsstark und leicht trainierbar sein und dann noch die richtige Farbe haben…
Kannst Du uns einen Tip geben, in welche Richtung wir züchten sollen? Welche Vererber sollten in der Abstammung nicht fehlen? Und welche sollten am besten gar nicht auftauchen? Oder sagst Du, lass es lieber, es lohnt sich nicht mehr, das Quarter Horse zu züchten, durch die ganzen Genfehler, die es immer schwieriger machen?
Zur Zeit haben wir unsere Wiescamp-Zuchtstute (77% Foundation Blut) zum Decken auf Gut Niederhof. Dort wird sie von dem Hengst Blackburn Buck Poco gedeckt.
Ich würde mich sehr über eine Rückmeldung von Dir freuen.
Christina Schneider, Gestüt Quarter B51
Hallo Christina!
Du wirfst da einige verständliche Fragen auf, die nicht leicht zu beantworten sind. Zunächst einmal habt Ihr offensichtlich mehr als nur durchschnittliches Pech gehabt in Euren vergangenen Zuchtaktivitäten – unglaublich, was Ihr da mitmachen musstet, genug, um jeden den Mut verlieren zu lassen…
Ich will der Reihe nach vorgehen, enstprechend Deiner Mail:
Wiescamp-gezogene Pferde haben nach meiner Erfahrung nicht zu unrecht den Ruf, schwierig zu sein. Natürlich gibt es Ausnahmen. Jack Kyle, der lange für Hank Wiescamp ritt, hatte sich ein paar Stuten gesichert, von denen er wusste, dass sie unterm Sattel etwas taugten. Damit hat er dann durchaus Zuchterfolge gehabt. Allerdings hatte er nicht weiter mit Wiescamp-Hengsten angepaart, sondern mit bewährten Performance Sires. Wenn dann aus einer seiner Wiescamp-Stuten von Hollywood Dun It ein Hengstfohlen später die Limited Open Futurity gewonnen hat, ist man trotzdem versucht, den Erfolg zu wenigstens 70% dem Vater gutzuschreiben. Dunnit Like A Cowboy (unter Scott McCutcheon Open Futurity Reserve Champion) war ein weiterer Hengst aus einer von Jack Kyles Stuten mit „Dunit“ als Vater… Ich selbst habe eine Stute gehabt, die zu einem Viertel Wiescamp-gezogen war (sie war mehr oder weniger ein Rescue-Pferd und hatte Monate gebraucht, bis sie wieder Vertrauen hatte und auch reiterlich korrigiert war); sie wurde letztlich ein gutes Pferd, das ich für Demos verwenden konnte. Und Du schreibst ja auch von einer Deiner Stuten, dass sie ein gutes Reitpferd abgegeben hat.
Man kann sagen, dass viele Wiescamp-Pferde zunächst eher harte Brocken beim Einreiten sind, dass sie einem das aber verlässlich geben, was sie einmal gelernt haben. Nur – wenn die Quarter Horse-Zucht über die letzten Jahrzehnte gerade was die Disposition angeht, die Kooperationswilligkeit und das Talent solch riesige Fortschritte gemacht hat, kann man verstehen, wenn die meisten Trainer keine Lust haben, sich mit eher schwierigeren Pferden abzugeben, in der Hoffnung, dass sie trotzdem irgendwann gut werden und dann Verlass auf sie ist… Zumal es nach wie vor das meiste Gewinngeld in den Futurities gibt und die ganze Szene eher immer noch kurzlebiger wird.
Es ist nie gut, wenn Pferde – wie die Wiescamps – über Generationen hauptsächlich auf ihr Aussehen gezüchtet werden…
Kurzum, ich persönlich würde davon absehen, Wiescamps zu züchten. Es gibt positive Fälle, aber sie sind eher Ausnahmen, und wenn es um das Potential der Fohlen beim Verkauf geht, muss man sich darüber klar sein, dass man seine potentielle Kundschaft von vornherein reduziert. Es gibt genug Leute, die ein Pferd nur deshalb nicht kaufen, weil es eine Wiescamp-Linie aufweist, egal wie gut oder schön es ist. Dasselbe gilt für Impressive. Volker Laves hat über Jahrzehnte versucht, in Deutschland einen Markt für Wiescamp-Pferde aufzubauen (den es in den USA ja durchaus gab), und was er später produziert hat, waren eigentlich immer Anpaarungen von Wiescamps mit anderen, populären Hengsten.
Du schreibst, dass manche viel Wert legen auf Foundation-Zucht. Hier wird’s kompliziert. Ja, manche legen viel Wert darauf, aber das ist eine ähnliche Sondergruppe wie die Wiescamp Fans. Wenn ein Pferd sonst nichts zu bieten hat, als dass es Foundation-zertifiziert ist, schränke ich die Zahl der potentiellen Käufer ebenso ein. Bei den Foundation-Pferden liegt der Fall aber insoweit anders und günstiger, als dass es eine Reihe von „modernen“, populären Hengsten oder Blutlinien gibt, die gleichzeitig Foundation-gezogen sind, wie ich in einem Artikel kürzlich darzustellen versucht habe. Nicht wenige der Besitzer und Promoter solcher Pferde sind sich gar nicht darüber im klaren, dass sie Foundation-Pferde haben.
Wenn ich darauf achte, kann ich also beides bedienen: Performance-Linien, die „in“ sind, und Interessenten, die Foundation-Blut suchen (was nur ein anderer Name für Quarter Horse-Blut ist; es geht dabei darum, dass das Quarter Horse-Blut dominiert, gegenüber dem Vollblutanteil).
Apropos Three Bars: Foundation heißt nicht, dass kein Three Bars-Blut vorhanden sein darf. Es heißt nur, dass das Vollblut – egal ob über Three Bars oder einen anderen Vollblüter – nicht 15% übersteigen darf.
Du hast Recht, dass manche Foundation-Züchter bestimmte Vorlieben haben – Hancock, Poco Bueno/King, Leo, Driftwood etc. Das sind meistens Leute, die einer immer noch kleinen Randgruppe angehören (und die selten wissen, wovon sie eigentlich sprechen). Während es nicht schwer ist, Zuchttiere zu finden, die auf Poco Bueno oder Leo zurückgehen und nicht mehr als 15% Vollblut führen, ist das bei anderen Linien wie z.B. Driftwood, Pretty Buck, Blackburn oder Hancock schon schwieriger. In den USA haben die einen größeren Markt in den Ranch Horses und keine Absatzschwierigkeiten, bei uns gibt es dafür nur einen kleinen Markt.
Deine Wiescamp-gezogene Stute mit 77% Quarter Horse-Blut mag von Blackburn Buck Poco schon Fohlen bringen mit den von der NFQHA geforderten 85% Quarter Horse-Blut, das müsste man ausrechnen lassen. Die Fohlen würden aber von vornherein nur für Freizeitreiter interessant sein können, die keine speziellen Turnierambitionen haben. Wenn man ein solches Fohlen erst einmal behält, einreitet und trainiert und dann als Reitpferd verkaufen kann, dessen Fähigkeiten offenbar sind und das ausprobiert werden kann, hat man einen größeren Markt, aber das scheuen die meisten Züchter. Der beste Gewinn als Züchter liegt darin, wenn man die Tiere schon als Absatzfohlen verkaufen kann. Und dafür ist die Abstammung – neben dem Äußeren – ausschlaggebend.
Du fragst, was ich machen würde, wenn ich in Deiner Situation wäre. Ich würde wahrscheinlich dasselbe tun, was ich zu meiner aktiven Züchterzeit getan habe: Ich würde mir Stuten suchen mit Abstammungen, die für jeden Performance-Reiter oder -Züchter interessant sind, und ich würde einen Hengst nehmen (oder Hengste, wenn ich auswärts decken ließe), der rittig ist und zugleich von Typ, Conformation und Gangwerk her attraktiv ist. Ich hatte damals einen Hengst mit Halter-Qualität importiert und mit sehr guten Bewegungen. Ich hatte Stuten mit Abstammungen von Mr Gun Smoke, Docs Lynx, Jesse James, Mr San Peppy, Peppy San Badger, Doc’s Hickory, Doc O’Lena usw. Die meisten Fohlen konnten in Halter gewinnen und ebenso in verschiedensten Performance-Disziplinen. Später hatte ich noch einen Hengst importiert mit Doc Olena- und Peppy San Badger-Abstammung. Nachzuchten von ihm gewannen ebenfalls in Halter und verschiedensten Performance-Klassen, von Pleasure und Trail bis Reining. Es war immer ein besonderer Kick für mich, wenn eins „meiner“ Pferde in Halter, Pleasure oder Trail gewann, zu dem einen oder anderen zu sagen, dass es eigentlich in dieser Klasse gar nichts zu suchen hatte, weil es Cow Horse- bzw. Reining-gezogen war…
Heute würde ich im Prinzip dasselbe machen, aber mit Blick auf die Foundation-Abstammung. Damals war das noch kein Gesichtspunkt, aber heute ist es relativ leicht, passende Pferde zu finden. Es muss nicht jeder Hengst/jede Stute 85% Quarter-Blut haben, aber man kann so anpaaren, dass die Fohlen mindestens 85% aufweisen. Dann schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe. Mein Plan wäre, so anzupaaren, dass ich aktuelles Performance-Blut habe und zugleich auf mindestens 85% Quarter Horse-Blut komme. Das ist möglich. Wenn ich nur auf den Quarter Horse-Blutanteil schaue, kann ich zwar die reinen Foundation Fans bedienen, aber die sind in der Unterzahl, und ich würde meine potentielle Käuferzahl begrenzen.
Darüber hinaus kann man heute leicht den Markt der Fohlen vergrößern, indem man einen doppelt registrierten Hengst oder eine doppelt registrierte Stute nimmt (AQHA u. APHA), so dass die Fohlen ggf. in verschiedenen Futurities startberechtigt sind. Man kann zu ihm stehen, wie man will, aber Gunners können da eine gute Möglichkeit sein, die u.U zugleich auch viel QH-Blut mitbringen.
Wie nun der Markt generell aussieht, ist eine andere Sache. Sicherlich ist er gesättigt, was durchschnittliche Pferde angeht, auch was Pferde mit sehr guter, populärer Abstammung angeht, die aber aus dem einen oder anderen Grund durchs Raster gefallen sind (was meistens bedeutet, dass sie die Futurity nicht geschafft haben). Auf der anderen Seite weiß ich, dass es trotzdem schwierig ist, ein passendes Pferd zu finden, wenn man eins sucht. Unlängst habe ich noch für eine Reitschülerin ein Pferd gesucht, die sogar rassemäßig offen war – Pferde ohne Macken sind enorm schwer zu finden. Sie hat schließlich eine reining-mäßig supergezogene Stute gekauft, die mit knapp vier Jahren schon ausgemustert war – die Ansprüche werden immer größer, und es braucht nicht viel, ein Pferd für Reining zu versauen (was dann für einen Freizeitreiter trotzdem passend sein kann).
— Hardy Oelke